Lieber Leser, liebe Leserin dieser Internetseiten,
Am 10. Oktober 2004 haben wir, die florentinischen Katholiken deutscher Sprache, unser 100-jähriges Jubiläum gefeiert: am Fest der Heiligen Dreikönige, 6. Januar 1905, in Florenz, in der Seitenkapelle der Kirche San Niccolò wurde der erste Gottesdienst der Deutschsprachigen Gemeinde gehalten.
Wir wollen Ihnen unsere Geschichte erzählen.
Bereits am 1. November 1900 hatten die Grauen Schwestern von der hl. Elisabeth aus dem Mutterhaus in Breslau (Schlesien) in der Via San Niccolò 73 ein Hospiz eröffnet, das in erster Linie der Betreuung zahlreicher deutschsprachiger Mädchen dienen sollte; so war es wohl verständlich, dass man den deutschen Gottesdienst in der Seitenkapelle der gegenüberliegenden Kirche hielt. Beim 1. Gottesdienst waren 37 Gläubige anwesend. Der 1. Seelsorger, Rektor Bernhard Schäfer, kam im Dezember 1904 nach Florenz. Nach eifrigem seelsorglichem Wirken starb er am 4. Dezember 1906 hier in Florenz und wurde auf dem Friedhof bei San Miniato beigesetzt. Sein Grab ist auch heute noch zu sehen.
Sein Nachfolger wurde Rektor Karl Börsig aus der Erzdiözese Freiburg; er wohnte wie sein Vorgänger im Gartenhaus des Schwesternheims. Am 15. Februar 1907 hatte er seine Arbeit in Florenz begonnen und kehrte, nach tatkräftigem Wirken, am 9. Oktober 1909 in seine Heimatdiözese zurück.
Am 15. Oktober 1909 trat Rektor Anton Grumann sein Amt in Florenz an, und am 9. Oktober 1910 verlegte er den Gottesdienst von San Niccolò ins Zentrum der Stadt in die Kirche San Gaetano. Rektor Grumman war bekannt durch die Übersetzung des italienischen Kinderbuches Pinocchio von Collodi, das unter dem Titel Das hölzerne Bengele im Herder-Verlag in Freiburg erschien.
Infolge des ersten Weltkrieges wurde die deutschsprachige Seelsorge in Florenz für fast 7 Jahre lang unterbrochen. Im Januar 1922 bemühte sich der Jesuitenpater Alois Grimm, der hier zu Studienzwecken weilte, die Gemeinde wieder aufzubauen. Er starb 1944 für seinen Glauben im Zuchthaus zu Brandenburg.
Bereits am 3. Mai 1922 wurde Rektor Clemens Stinner aus der Erzdiözese Köln zum Seelsorger ernannt; er gründete im Januar 1924 eine Gemeindebibliothek.
Vom 7. Februar 1925 bis 30. September 1928 wurde die Gemeinde vom Rektor Ferdinand Eichen betreut; ihm ist die Einrichtung der Rektoratswohnung in Via dei Pescioni zu verdanken, die leider im 2. Weltkrieg zeitweise wieder verloren ging. In Rektor Eichens Amtszeit fällt auch die Verlegung des Schwesternheims von Via S. Nicolò in den Viale Michelangelo (23. September 1925).
Am 1. Oktober 1928 übernahm Rektor Josef Leufkens die Leitung der Gemeinde. Er richtete am 20. Januar 1929 in Via dei Pescioni ein Caritasbüro ein, in dem die Grauen Schwestern eine Stellenvermittlung für stellensuchenden Mädchen eröffneten.
Von November 1930 übernahm Rektor Joseph Teusch die Seelsorge in Florenz; er wirkte in unserer Gemeinde bis Oktober 1932. (1958 arbeitete der Generalvikar Joseph Teusch das Konzept von „Misereor“ aus. Zusammen mit "Adveniat" verschafften den deutschen Bischöfen auf dem 1962 beginnenden II. Vatikanischen Konzil hohes Ansehen. Ihr Vorsitzender, Kardinal Frings, ließ sich von den Bonner Professoren Joseph Ratzinger, Hubert Jedin und seinem Generalvikar Teusch qualifiziert beraten und erreichte hohen Respekt in der Konzilsaula sowie beachtlichen Einfluss auf das Konzilsgeschehen.)
37 Jahre lang (1932-1969) war Msgr. Theodor Bützler Rektor der Gemeinde. 1943 gab er das Gesangbuch für die deutschsprachigen katholischen Gemeinden in Italien heraus. Während der Kriegsjahre gewährten er und seine Schwester Maria vielen Hilfesuchenden (Juden und Christen aller Konfessionen) Schutz und Unterschlupf; sie waren ständig in Kontakt mit dem florentiner Kardinal Elia della Costa und dem deutschen Konsul Wolff und erreichten schließlich, dass Florenz zur „città aperta“ erklärt wurde. Am 21. Juni 1944 mussten die Geschwister Bützler aus Sicherheitsgründen Florenz verlassen, doch am 7. Sept. 1945 kehrten sie nach Florenz zurück. Msgr Bützler bemühte sich sehr um den Wiederaufbau der Gemeinde: zuerst fanden die Gottesdienste bei den Grauen Schwestern in der Viale Michelangelo statt, ab Ostern 1949 wieder in San Gaetano. 1966 musste er es erleben, dass der Fluss Arno überflutete und die Stadt grausam zurichtete. Am 28. Juni 1969 nahm Msgr. Bützler, der jahrelang deutsche Soldaten betreut hatte, an der Einweihung des riesigen (32.000 Toten) Soldatenfriedhofs auf dem Futa-Pass in den toskanischen Alpen teil.
Nach seinem Tod im Oktober 1969 übernahm im Dezember 1969 Pater Gerhard Ruf die Seelsorge der Gemeinde. Minderbruder der deutschen Minoriten-Provinz der Franziskanern „St. Elisabeth“ war er seit 18. Juli 1959 und bis zu seinem Tod am 29. Dezember 2008 Mitglied der Gemeinschaft des Sacro Convento zu Assisi, wo er deutschsprachige Pilger- und Reisegruppen am Grab des hl. Franziskus geführt und betreut hat. Er ist regelmäßig an Sonn- und Feiertagen nach Florenz zum Gottesdienst gefahren, und auch sonst, wenn die Situation seine Präsenz erforderte. Besonders erwähnt seien aus der Zeit seiner Seelsorge in Florenz: die guten Beziehungen und die stete Zusammenarbeit mit der Deutschsprachigen Lutherischen Gemeinde der Stadt, die Ausstattung der Räume in der Via dei Pescioni (Bibliothek, Heizung, Küche, Klavier, usw.) und der Kirche (liturgische Gewänder und Bücher, Harmonium, komplette Restaurierung der Mascioni-Orgel, usw.). Er hat alles daran gesetzt, damit die Deutschsprachigen, auch die Touristen, in Florenz bei den Begegnungen im Gottesdienst und außerhalb desselben ein Stück Heimat finden konnten.
1999 wurde Msgr. Dr. Peter Düsterfeld nach Florenz geschickt und übernahm am 1 November die Seelsorge der Gemeinde. Die Wohnung in der Via dei Pescioni wurde von der florentiner Diözese zurückgenommen, weil sie von dem Priester nicht mehr gebraucht wurde. Die Gemeinde wurde aufgelöst und er feierte an Ostern 2003 den letzten Gottesdienst. Die Gründe für die Auflösung waren: eine zu geringe Teilnahme an den liturgischen Feiern, der immer kürzere Aufenthalt der deutschsprachigen Touristen in der Stadt zu deren Programm kein Gottesdienstbesuch mehr gehörte.
Aber die wenigen aktiven Mitglieder der Gemeinde fühlten sich auf diesen Schritt nicht vorbereitet, zumal es an außerkirchlichen Initiativen nicht fehlte. Die Gottesdienste finden weiterhin statt, mit Unterstützung des Kardinals und des Weihbischofs der Diözese Florenz.
Schon am Pfingsten 2003 zelebrierte P. Ruf Gerhard wieder die hl. Messe für die Gemeinde, vorübergehend in Santa Trinità, da San Gaetano in Renovierung war. Dann kam regelmäßig Pater Franz Endres aus Assisi, der am 16. November desselben Jahres ein eindrucksvolles ökumenisches Gebet auf dem Futa-Paß sprach; doch wurde er bald danach zum Guardian des Klosters Schwarzenberg bei Scheinfeld/Neustadt an der Aisch gewählt und kehrte in die Heimat zurück.
Im Juni 2004 kam zur Unterstützung von P. Ruf bei der Betreuung der deutschsprachigen Pilger und Touristen in der Franziskus-Basilika zu Assisi, Pater Stanica-Petru Maties, Mitbruder der Provinz der Franziskaner-Minoriten in Rumänien. Er hat vier Jahre lang in Würzburg studiert und so auch die deutsche Sprache erlernt. Er durfte, auch im Namen des Katholischen Auslandssekretariates in Bonn und mit Zustimmung des Kustos des Sacro Convento in Assisi, jeden 2. Sonntag nach Florenz fahren und die Seelsorge weiterführen. Ab 6. Oktober 2008 gehört er zum florentinischen Konvent Santa Croce, zur Unterstützung der italienischen Provinz der Franziskaner-Konventualen der Toskana. Seit September 2009 betreut er in seinem Heimatland eine Pfarrei in Baia Mare, Rumänien.
Wie vor hundert Jahre zieht Florenz, sowie die Toskana überhaupt, auch heute viele deutschsprachige Christen an, die sich dort niederlassen. Laut Statistik kamen die Einwanderer in die Toskana im Jahr 1994 überwiegend aus Marokko (3.968 Personen, d.h. 8,2 %), aus den USA (3.821 Personen, d.h. 7,9 %) und aus Deutschland (6,4 %. Im Jahre 2004 waren hier 3.916 deutsche Einwanderer). Die Zahl der deutschen Touristen beläuft sich auf etwa 5 Millionen im Jahr (gegenüber einer Million Franzosen und 1,2 Millionen Engländer), d.h. der Prozentsatz der deutschen Touristen liegt bei 28,2 %. Auch die vielen aus Österreich und der Schweiz dürfen nicht vergessen werden.
Die scheinbar friedlichen Zeiten, in denen wir leben, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Probleme und Bedürfnisse der Einzelnen gleichgeblieben, ja vermehrt sind. In einer Welt des Individualismus und Egoismus darf die Gemeinschaft nicht vergessen werden, die Seelsorge muss weiter gehen, zur Kenntnis genommen und gepflegt werden. Wir Katholiken deutscher Sprache in Florenz möchten auch für andere eine Anlaufstelle werden und ihnen Gelegenheit zum Gottesdienst und Beisammensein geben, in einem Umfeld voller Zeugnissen von religiöser Kunst und Geschichte. Gott liebt die Menschen, Er liebt die Gemeinschaft, und wir sie auch.